Merci Galli!
Mit Flavio Galliker beendet ein weiteres Wohler Urgestein seine Karriere
Als junger Kerl wechselte Flavio Galliker von Muri nach Wohlen. Und blieb 14 Jahre in der ersten Mannschaft. Nun ist Schluss, der Anwalt buchstabiert sportlich zurück und setzt seinen Fokus auf andere Dinge. Der 32-Jährige blickt zurück auf eine bewegte Zeit.
Stefan Sprenger, Wohler Anzeiger
Ein Indiz für die Beliebtheit eines Teamsportlers sind immer seine Spitznamen. Und Flavio Galliker hat viele. «Gareth Bale» wurde er genannt, in Anlehnung an seine fussballerischen Qualitäten. «Doktor Galli» war ebenfalls ein Spitzname. Dies, weil er einst Zahnarzt werden wollte. «Fitti Boy» ein weiterer Kosename, weil er stets ins Fitnesscenter ging. Flavio Galliker hat sich in den letzten 14 Jahren bei Handball Wohlen einen Namen gemacht. Als Mensch und als Spieler.
Die erste Saison war gleich seine Beste
In der Saison 2011/12 machte er etwas, was im Freiämter Sport eher verpönt ist. Galliker, der in Muri aufgewachsen und beim TV Muri mit dem Handball anfing, wechselte aus dem Klosterdorf zum grössten Rivalen. Er erinnert sich: «Wir hatten damals schon Spielgemeinschaften bei den Junioren, ich kannte also auch viele Wohler. Die erste Mannschaft der Murianer arbeitete damals eng mit dem TV Endingen zusammen. Das war nichts für mich, ich durfte auch kaum spielen», sagt er. Der damalige Wohlen-Trainer Tobias Rohner klopfte an. Galliker sagte zu. Den Schritt nach Wohlen bereute er nie, wie er erzählt. «Ich habe hier alles gefunden, was ich suchte.»
Anfrage vom HSC Suhr/Aarau
Und er durfte endlich spielen. Bereits in der ersten Saison war er eine wichtige Figur. Als 18-Jähriger schiesst er über 100 Tore in der 1. Liga. «Rückblickend war es meine persönlich beste und auch prägendste Saison», sagt er. Auch wenn Wohlen am Ende abgestiegen ist, flattert ihm ein Angebot vom HSC Suhr/Aarau ins Haus. Das damalige NLB-Team wollte den kraftvollen Rückraumspieler verpflichten. Galliker überlegte lange – und sagte dann ab. «Handball war immer ein Hobby. Wenn ich diesen Schritt gemacht hätte, dann hätte ich auch beruflich andere Wege einschlagen müssen. Das wollte ich nicht. Für mich war es hier in Wohlen perfekt.» Denkt er nicht, er hätte es vielleicht auch in einer höheren Liga schaffen können? Galliker überlegt. «Vielleicht.» Er sei in all den Jahren ein guter 1.-Liga-Spieler gewesen. Und das war auch, was er erreichen wollte.
Hätte, wenn und aber. Das alles spielt heute keine Rolle mehr. Die Wohler Handballer sind in der aktuellen Saison wieder abgestiegen. Galliker versuchte sein Bestes, um zu helfen, doch er fehlte oft. Der Vize-Captain kämpfte immer wieder mit Verletzungen und Blessuren. Etwas, das sich durch seine sportliche Laufbahn zieht. Die Bänder im Fuss, das Kreuzband, der Arm, die Schulter. Galliker war immer wieder verletzt. «Auch ein Grund, wieso es jetzt genug ist.»
Anwalt am Paradeplatz
Training und Spiele sind immer mehr zu einem «Müssen» geworden. Die Motivation und Lust liessen immer mehr nach. «Auf diesem Niveau ist für mich hier Endstation. Vermutlich werde ich noch zum Plausch weiterhin Handball spielen in der zweiten oder dritten Mannschaft. So, wie es eben passt.» Er will es ruhiger angehen. Das hat auch berufliche Gründe. Galliker ist Anwalt. Bei der Steiner Vorsorge AG am Paradeplatz in Zürich ist er Co-Geschäftsführer. Das Unternehmen mit 10 Mitarbeitern ist spezialisiert auf das Erbrecht. «Alles, was sich um den letzten Willen dreht», erklärt Galliker.
Und was ist sein letzter Wille als 1.-Liga-Handballer? Galliker überlegt. «Die Freunde, die ich in all den Jahren dank dem Sport gefunden habe, zu behalten.» Und von denen hat er in all den Jahren einige gefunden. Eben solche Menschen, die ihm dann die vielen Spitznamen gaben. Galliker, der auch in Zukunft im Vorstand des Vereins das Ressort «Events» führt, sagt: «Wohlen wurde für mich zu einer zweiten Heimat.» Der TV Muri wollte ihn in jungen Jahren zurückholen. Doch dies war für ihn keine Option mehr, er fühlte sich von Anfang wohl in der Hofmattenhalle. «Hier spielte ich mit Freunden. Das war, was ich wollte.»
Dass es in den letzten 14 Jahren auch sportliche Höhenflüge gab, erwähnt er kaum. Doch es gab sie. Jene besonderen Spiele, im Schweizer Cup gegen die Kadetten Schaffhausen oder jene Saison, wo die Wohler in der 1. Liga vorne mitspielten und gar an der Nationalliga B schnupperten. «Die Aufstiege, die Teamreisen, die Derbysiege. Alles wunderbare Erinnerungen.»
Zeit, Urlaub, Vorstand
Und dennoch ist nun Schluss, mit erst 32 Jahren. Der Hammer ist gefallen. Nach Captain Manuel Frey ist er in dieser Saison das zweite Urgestein, das sich aus dem Wohler «Eis» verabschiedet. Galliker wird die Zeit ohne den Handball nun geniessen. Dabei hilft ihm seine langjährige Partnerin Elisa Stutz, mit der er in Bremgarten wohnt. Ferien in Schweden und in Kreta, ein Besuch der Fussball-EM in Deutschland, das alles hat er in den nächsten Monaten geplant. Wird ihm der Sport nicht fehlen? «Natürlich werde ich den Handball vermissen. Vieles hat mich geprägt und ich trage die schönen Erinnerungen in meinem Herzen. Aber jetzt ist es an der Zeit, den jungen Talenten Platz zu machen», sagt er. «Ich bin ja nicht weg, ich bleibe im Vorstand und habe so die Möglichkeit, dem Verein etwas zurückzugeben und meine Kumpels weiterhin zu sehen.»