Matchvorschau: HC Kriens vs. Eis

Wenn zwei sich verstehen

 

Handball, 1. Liga: Die neuen Trainer Ingmar Steiger (Wohlen) und Jan Sedlacek (Mutschellen) vor dem Saisonstart

Der Deutsche Ingmar Steiger wollte eigentlich nur ein Bierchen zischen – und wurde plötzlich Trainer von Handball Wohlen. Jan Sedlacek wollte eigentlich eine Pause vom Handballsport machen – und will nun dafür sorgen, dass die Burkertsmatt eine Festung wird.

Wohler Anzeiger, Stefan Sprenger

Treffen sich ein 44-jähriger Deutscher und ein 59-jähriger Slowake. Nein, das ist nicht der Beginn eines Witzes, sondern das Kennenlernen der beiden neuen 1.-Liga-Trainer von Wohlen und Mutschellen. Und die beiden verstehen sich auf Anhieb bestens. Nach wenigen Minuten wird klar, man hat gemeinsame Bekannte. Ingmar Steiger, Trainer der Wohler Handballer, arbeitete bis vor wenigen Wochen bei einem Energieversorger in Deutschland. Ein Arbeitskumpel von früher spielte einst gemeinsam mit Jan Sedlacek (Trainer der Mutscheller) in der Nationalmannschaft der Tschechoslowakei. «Die Welt ist klein», meinen die beiden. Beide haben ein gemeinsames Ziel: Ligaerhalt.

Von der Pfalz in die Schweiz

Steiger – dessen Vater in der 2. Bundesliga in Deutschland spielte – hat schon einige Vereine erlebt. Angefangen beim TV Offenbach, später Zweibrücken Saarpfalz und Assenheim. Auf der Rückraum-Mitte-Position schaffte er es in die dritthöchste Liga in Deutschland, immer in seiner Heimat, der Pfalz (Nähe Kaiserslautern). Der Job und Verletzungen sorgten für sein Karriereende. Beruflich spülte ihn das Leben nach Mailand, wo er noch in der 2. Liga Handball spielte. «Um Anschluss zu finden, weil Handballer überall auf der Welt gesellig sind», wie er meint.

Dasselbe hatte er vor, als er wegen der Liebe in die Schweiz zog. Seine Freundin arbeitet in einer leitenden Funktion als Ärztin im Kantonsspital Baden. Sie ziehen gemeinsam nach Seengen. Steiger will Anschluss finden, geht zu Handball Wohlen. «Eigentlich wollte ich nur ein bisschen in der zweiten Mannschaft spielen und mal ein Bierchen trinken, aber jetzt wird es eben mehr», sagt er lachend. Er wurde angefragt als Trainer des «Eis», er sagte Ja, weil er Potenzial sieht, weil er die neue Halle genial findet und weil ihm der Verein sympathisch ist. Und jetzt ist Steiger – der ab 1.Oktober bei der Polytronic in Muri seine neue Arbeitsstelle antritt – plötzlich Cheftrainer.

WM, Olympia, Ikea, Folklore

Sedlacek hört gespannt zu. Auch er ist in die harzige Kugel verliebt. Das war er schon immer. Aufgewachsen ist er in der Tschechoslowakei. Den Handballsport erlernte er noch «nach alter, harter Schule», wie er sagt. Für die Tschechoslowakei macht er 115 Länderspiele. Am 28. Februar 1990 spielt er an der Weltmeisterschaft gegen die Schweiz. «Wir haben mit einem Tor verloren», erinnert sich Sedlacek und schüttelt heute noch den Kopf über diese Pleite. 12:13 (5:7) ging das Spiel an die Schweiz. Besonders bitter: Die WM fand in der Tschechoslowakei statt. Sein grösstes Karrierehighlight folgte 1992. Die Tschechoslowakei nahm an den Olympischen Spielen in Barcelona teil. Sportlich konnte man nichts reissen. Es war das Jahr der Spaltung der beiden Länder, die ab 1. Januar 1993 getrennte Wege gingen. Sedlacek – ein Slowake – sagt: «Diese Spaltung war an Olympia auch in unserem Team zu spüren. Wir waren keine Einheit.»

Eine Einheit soll jetzt aber beim HC Mutschellen entstehen. Eigentlich war Mario Obad vorgesehen für den Cheftrainer-Posten. Doch finanziell konnten sich der Verein und Obad nicht einigen. Sedlacek wurde angefragt. Der Spreitenbacher war letzte Saison beim HC Dietikon-Urdorf Trainer. Er überlegte sich das Angebot. Nach Gesprächen mit Mutschellen-Sportchef Alex Milosevic und Präsident Pitsch Müller juckte es ihn wieder. «Eigentlich wollte ich eine Pause machen. Aber jetzt bin ich motiviert für diese neue Aufgabe», sagt Sedlacek, der im Qualitätsmanagement bei der Ikea arbeitet und als Hobby gerne singt und tanzt zu slowakischer Folklore.

TV Muri? «Gute Truppe»

Sedlacek kam vor 30 Jahren als Handballprofi in die Schweiz, spielte aktiv bei Thun (NLA), Dietikon-Urdorf (NLB), den Grasshoppers (NLA), Stäfa (NLA) und bei Altdorf (NLB). Danach war er als ausgebildeter A-Lizenz-Trainer bei einigen Männerund Frauenteams auf der Stufe NLA, NLB wie auch 1. und 2. Liga tätig.

So viel Erfahrung hat Ingmar Steiger nicht. Angesichts der beeindruckenden Handballkarriere von Sedlacek kann der Deutsche – der in seiner Freizeit gerne Golf spielt – nur staunen. «Richtig stark», findet er – und fragt den erfahrenen Handballer danach, was er denn vom Freiämter Konkurrenten TV Muri hält. Sedlacek: «Eine gute Truppe. Aber machbar.» Steiger fragt ihn, ob er die anderen Teams der 1.-Liga-Gruppe kennt. Sedlacek antwortet: «Alles machbare Gegner.»

Und was ist mit Wohlen? Am Sonntag, 17. September, um 16.30 Uhr findet bereits das erste Freiämter Derby statt. Wohlen empfängt Mutschellen. «Machbar», lacht Sedlacek. Und was sagt Steiger? «Derbys sind immer geil, wir freuen uns.» Er fügt an: «Ich kenne diese Liga kaum. Was ich aber weiss, ist, dass von uns niemand etwas erwartet. Wir sind letzte Saison am grünen Tisch aufgestiegen und können ohne Druck an die Sache ran. Mir ist wichtig, dass wir die jungen Spieler voranbringen und dass wir in jedem Spiel 100-prozentigen Einsatz geben.» Den Handball, den er in der neuen Hofmattenhalle zeigen will, beschreibt er wie folgt: «Aus einer starken Abwehr heraus 60 Minuten lang Tempo-Handball spielen.» Sedlacek lacht: «Da mache ich auch mit.»

«Alle Heimspiele gewinnen»

Jan Sedlacek und Ingmar Steiger sagen beide: «Es gibt sicherlich keine einfache Saison» und «die Physis ist in dieser Liga sehr entscheidend». Der Mutschellen-Trainer meint: «Wenn wir alle Heimspiele gewinnen, steigen wir nicht ab.» Der Wohlen-Trainer meint: «Ich bin noch nie in meinem Handballerleben abgestiegen, das soll auch so bleiben.» Und wie will er das schaffen? «Wir müssen drei Teams hinter uns lassen, dann reichts.» Beide lachen.

In einer Woche steigt das erste Derby. Wohlen und Mutschellen haben sich in einem Testspiel vor rund einem Monat schon duelliert. «Wir haben deutlich gewonnen», sagt Steiger. Sedlacek interveniert: «Da war ich auch noch nicht Trainer.» Für die neue Saison wünschen sie sich beide «nur das Beste und viele Siege». Steiger fragt Sedlacek zum Schluss: «Egal, wie das Derby ausgeht, danach trinken wir zusammen ein Bier, okay?» Sedlacek nickt. «Machbar.»


Start und Kader

Saisonstart am Samstag: Wohlen in Kriens, Mutschellen in der Kreisschule

Wohlen startet auswärts in Kriens (Samstag, 17 Uhr, Meiersmatt). Gegner Kriens musste einige Spieler in höhere Ligen ziehen lassen. Das Team wurde mit jungen Talenten aufgefüllt. Dieses Duell wird wohl auf Augenhöhe stattfinden. Wohlen spielte zudem gestern Donnerstagabend (nach Redaktionsschluss) gegen Dagmersellen im Cup. Bei den Wohlern gab es Kadermutationen. Yannick Herzig (Baden), Milo Santini, Adrian Studerus, Christoph Schraner und Andreas Stierli (alle Rücktritt) sind nicht mehr dabei. Neu im Team sind Jan Oppliger, Carlos Caforio (Suhr/Aarau), Roman Eigenmann, Noah Frenzel, Julius Behrendt (alle aus 2. Mannschaft) und die Eigengewächse Marco Aebersold und Samuel Seeholzer, die bislang im Nachwuchs waren. «Ein junges Team, das allerdings viel Potenzial hat», so Trainer Steiger. Was ihn nervt: Zum Saisonstart sind wichtige Teamstützen im Urlaub.

Der HC Mutschellen kriegt es am Samstag (18 Uhr) zu Hause mit dem TV Pratteln zu tun. Die Baselbieter sind eine gestandene 1.-Liga-Truppe und haben sich auf diese Saison hin nochmals verstärkt. Während die Freiämter im Schweizer Cup ein Freilos genossen, musste Pratteln bereits auswärts beim 1.-Liga-Team aus Genf ran – und hat deutlich gewonnen (30:22). Mutschellen ist in diesem Duell der Aussenseiter.

Wieso nicht in der Burkertsmatt?

Angesichts des Spielorts (Kreisschule Mutschellen) stellt sich die Frage: Wieso nicht in der Burkertsmatt? Dazu sagt der HC Mutschellen: «Die Verantwortlichen des Vereins haben entschieden, in der neuen Spielzeit die altehrwürdige Kreisschule Mutschellen auch für Spiele des Mutscheller Fanionteams zu nutzen, falls die Burkertsmatt in Widen von anderen Vereinen belegt ist.» Da dies jetzt der Fall ist, starten die Mutscheller in der Kreisschule in die neue Saison.

Der HC Mutschellen geht nach 2002 und 2018 in seine dritte Saison in der 1. Liga. Im Team blieb grösstenteils alles beim Alten. Mirco Külling verlässt das Team Richtung Muri. Fabian Brunner (Rücktritt) und Alessandro Clematide (Pause) sind ebenso weg. Neu dabei sind Mike Berger und Nikola Birac – und einige Spieler aus der 2. Mannschaft. «Wir haben kaum Abgänge. Das ist ein Vorteil», sagt Trainer Jan Sedlacek und fügt an: «Ich kann hier keine Wunder vollbringen. Aber mit diesem Team ist der Ligaerhalt möglich.» Während die Mannschaft grösstenteils zusammenblieb, gab es im Staff einiges an Rotation. Trainer Mario Obad ging, Sedlacek kam. Sein neuer Co-Trainer heisst Fabian Schelbert. Zudem verliess auch Athletik-Coach Christian Bohnenblust das Team. --spr