Kiste voller Erinnerungen
Handball Wohlen: Nach über 20 Jahren tritt Manuel Frey ab – Er wird beim Barragespiel heute Mittwoch (20 Uhr) fehlen
Das dritte Kind sorgt dafür, dass Manuel Frey seine Aktivkarriere klammheimlich beendet. Dabei hätte er die ganz grosse Bühne verdient. Für den PSV Pfadi und später für Handball Wohlen machte er 450 Spiele und erzielte 1700 Tore. Nun geht der Captain von Bord – und wünscht sich zum Abschied den Ligaerhalt.
Wohler Anzeiger, Josip Lasic
Auf seiner Erinnerungskiste hat sich viel Staub angesetzt. Manuel Frey kramt sie hervor, pustet den Staub weg und zeigt ein paar seiner besten Archivperlen. In über 20 Jahren auf und neben dem Handballfeld hat sich so einiges angesammelt. Aufstiege, Abstiege, Teamreisen, Trainingslager, rauschende Partys nach Derbysiegen, rauschende Trauerfeiern nach Derbypleiten. Und in dieser Kiste sind ganz viele Bilder, die Manuel Frey in seiner unverkennbaren Pose zeigen: Er in der Luft, das Knie angewinkelt, der Arm über dem Kopf. Der Flügel steht kurz vor dem Wurf aufs Tor. Meist perfekt sitzend ist sein Markenzeichen: seine schwarzen Haare.
Er hätte einen Anteil am Klassenerhalt
Manuel Frey zeigt ein Bild aus dem Jahr 2006. Es ist ein Zweikampf aus einem reinen Wohler Derby. Frey war damals linker Flügel beim PSV Pfadi Wohlen, Adrian Studerus rechter Flügel beim TV Wohlen. Beide sind gerade 20 Jahre alt geworden. Später werden die beiden viele Jahre gemeinsam für Handball Wohlen spielen.
Frey ist in seiner 21. Saison im Aktivhandball. Es wird die Letzte sein. Wenn Handball Wohlen morgen Mittwoch, 20 Uhr, in der Abstiegsbarrage den HC Flawil empfängt (siehe Artikel unten), wird der 38-Jährige nicht mehr auf dem Platz stehen. Vor einigen Tagen ist Frey zum dritten Mal Vater geworden. Drei kleine Töchter hat er zu Hause. 2018, 2020 und im März 2024 sind sie zur Welt gekommen. Aus diesem schönen Grund hatte er zuletzt keine Zeit mehr für Training und Spiele. Familie kommt zuerst. «Unter diesen Umständen ist es auch okay, wenn ich nicht mehr spiele», sagt er. Beim Überraschungssieg (29:28) gegen Leader Siggenthal/Baden-Endingen, der dafür sorgte, dass es Wohlen in die Abstiegsbarrage schaffte, war er ein letztes Mal im Einsatz. Ein letztes Mal packt er in der Abwehr zu, ein letztes Mal trifft er vom Flügel. «Gelingt der Klassenerhalt, hätte ich so trotzdem ein wenig Anteil daran», sagt er augenzwinkernd.
Über die Käserei zum Handball
Der Captain hat seine Knochen lange hingehalten. 449 Spiele waren es, in denen er 1710 Tore beigetragen hat. Zuerst für PSV Pfadi Wohlen, nach dem Zusammenschluss 2009 für Handball Wohlen. Seit 2012 ist er Captain.
Begonnen hat seine Handballkarriere, als er neun Jahre alt war. Ein Spieler von Pfadi Wohlen arbeitete damals in der Käserei Duss. Der Verein war damals dabei, eine Jugendabteilung aufzubauen. Da der Besitzer der Käserei drei Söhne hat, fragt er, ob sie nicht Lust hätten, mal in ein Training zu kommen. «Einer dieser drei Söhne, Michael Duss, war und ist ein guter Freund», erzählt Frey. «Er hat mich in ein Training mitgeschleppt. So hat alles angefangen.»
Mit 18 Jahren spielt er bei den Aktiven von Pfadi Wohlen. 3. Liga, 2. Liga. Später – als die beiden Vereine zusammenschlossen – für Handball Wohlen meist in der 1. Liga. 2017 kratzt Wohlen sogar an den Aufstiegsspielen zur Nationalliga B. Die Wohler schaffen es knapp nicht in die Aufstiegsrunde. «Das wurmt mich heute noch», sagt er. «Es wäre schön gewesen, zu sehen, ob wir in der NLB mithalten können. Schade, dass das nicht geklappt hat.»
Frey spielte immer für Wohlen. Er wollte gar nie weg. Die Spielzeiten 2015/16 und 2016/17 gehören zu den schönsten seiner Karriere. Eine goldene Zeit für den Handball in Wohlen. Unter Trainer Daniel Lehmann legen die Wohler zweimal in Folge die beste Saison der Vereinsgeschichte hin, spielen in der 1. Liga ganz vorne mit und dürfen im Cup gegen das NLA-Top-Team Kadetten Schaffhausen ran. Aus jener Zeit hat er ganz viele schöne Erinnerungsstücke in seiner Kiste.
Als einen weiteren Höhepunkt seiner Karriere bezeichnet er den Aufstieg in die 1. Liga 2015. Es gab aber auch Tiefpunkte in seiner langen Karriere. Die Abstiege der Wohler sind für ihn dabei gar nicht so schlimm. Die Derbyniederlagen gegen Muri oder Mutschellen nervten ihn mehr. «Wenn ich dazu noch schlecht gespielt habe, ging es mir einige Tage richtig übel», erzählt er.
Wie eine zweite Familie
Doch das ist jetzt alles vorbei. Seine Erinnerungskiste wird nicht weiter wachsen. Frey ist nicht nur Familienvater, sondern hat vor drei Jahren auch von seinem Vater Andreas das Unternehmen Frey Dental-Technik AG übernommen. Familie, Job, Handball. Alles sehr zeitintensiv. «Zuletzt hat mir ein wenig der Biss gefehlt. Handball wurde immer mehr ein Müssen, statt ein Dürfen», sagt er. Eigentlich wollte er schon nach dem Abstieg in die 2. Liga vor zwei Jahren aufhören. «Doch dann hiess es, dass ein paar Routiniers bleiben sollen, damit die Mannschaft nicht komplett auseinanderfällt.» Frey bleibt am Flügel, bleibt Captain, bleibt Leistungsträger. Wohlen steigt letzte Saison überraschend (und am grünen Tisch) wieder in die 1. Liga auf. Wieder will er aufhören. «Doch einige Routiniers sollten bleiben, damit das Team nicht nur mit jungen Spielern in die 1. Liga geht.» Frey bleibt. Als Letzter der goldenen Ära.
Nicht ganz 39
Der ehemalige dänische Flügelspieler Lars Christiansen hat bei Frey besonders Eindruck hinterlassen, weil er mit 39 Jahren noch Leistungsträger in der Bundesliga war. «Deshalb habe ich lange davon gesprochen, auch bis 39 zu spielen.» Seinen 39. Geburtstag feiert der Wohler zwar erst Ende Jahr, «aber dieses halbe Jahr wollte ich nicht noch durchwürgen.»
Zuletzt bedeuteten seine vielen Verpflichtungen, dass er beispielsweise die Kinder regelmässig an Spiele, Trainingsweekends oder in Trainings mitgenommen hat. «Es ist zwar schön, wenn die ganze Familie so eingebunden ist, aber ich durfte beispielsweise im Derby gegen Muri in der Halbzeit meine Tochter verarzten, weil sie sich einen Zahn herausgeschlagen hat. Und dann geht man aufs Feld und soll noch ein Spiel drehen. Schwierig. Das geht alles an die Substanz.»
Jetzt wird er mehr Zeit für seine Familie und sein Geschäft haben. Seinem Verein bleibt er dennoch erhalten. Im Vorstand ist Frey seit einem Jahr verantwortlich für Marketing und Sponsoring. Und der Sport bleibt ihm wichtig. «Vielleicht trainiere ich mit der 2. Mannschaft mit und gehe, wenn es die Zeit erlaubt, auch mal an die Spiele. Ganz unverbindlich.»
Ganz ohne Wehmut wird sich der Captain jedenfalls nicht verabschieden. Denn auch der Verein ist für ihn wie eine Familie. «Die Zeit im Handball war für mich eine Lebensschule. Und diesen Teamgeist, den ich erleben durfte, ist etwas, was ich jedem Sportler wünsche.» Zum Abschied wünscht er sich den Klassenerhalt. Es wäre das perfekte Abschlussgeschenk für das Handball-Urgestein. Die vielen Erinnerungen, die er während seiner langen Karriere sammelte, sind Zeichen von vielen tollen Momenten und Geschenken, die er in seinem Leben sammelte. Der sympathische Frey wird dem Freiämter Handball auf und neben dem Feld fehlen.
«Das sind die geilsten Spiele»
1.-Liga-Abstiegsbarrage: Wohlen – Flawil (Mittwoch, 20 Uhr, Hofmatten)
Heute Mittwoch empfängt Handball Wohlen den HC Flawil zum ersten der beiden Abstiegsspiele. Setzen sich die Freiämter im Hin- und Rückspiel (Sonntag, 17.15 Uhr) durch, ist der Klassenerhalt geschafft. Wohlen-Trainer Ingmar Steiger hat mit Ausnahme von Captain Manuel Frey das ganze Team zur Verfügung. Über den Gegner hat er sich auch schon schlaugemacht. «Ein körperlich robustes Team mit grossgewachsenen Spielern. Ich habe mich aber mehr auf uns fokussiert. Das gab genug zu tun.»
Aus Sicht des Trainers hat man schon mehr erreicht, als seiner Mannschaft zugetraut wurde. «Wer hätte vor der Saison gedacht, dass wir vor Mutschellen landen oder den Leader bezwingen. Aber leider wird das niemanden interessieren, falls wir trotzdem absteigen.» Der Trainer hofft, dass die Wichtigkeit des Spiels bei seiner Mannschaft für zusätzliche Motivation sorgt. «Das sind die geilsten Spiele, wo es um alles oder nichts geht. Zumindest habe ich als Spieler die am meisten genossen. Ich hoffe nur, dass niemand in der Mannschaft deswegen Angst hat.» --jl