Matchbericht: HC Mutschellen vs. Eis
"Craken und Zauberlehrling"
Handball, 2. Liga: Der HC Mutschellen unterliegt zu Hause gegen Handball Wohlen mit 23:27 (11:16)
Was für eine tolle Story: Ein 17-Jähriger schiesst bei seinem 1.-Liga-Debüt zehn Tore. Der Waltenschwiler Björn Staubli war ein wichtiger Grund, wieso die jungen Wohler den HC Mutschellen im Derby überrennen. Die Gastgeber machten zudem den Fehler, dass sie den «Craken» warmschossen.
Alexander Wagner für den Wohler Anzeiger
Aus Sicht des HC Mutschellen hätte der Anfang nicht schlechter sein können. Goalie Sascha Rudi – auch Craken genannt – wurde warmgeschossen. Mutschellens Rückraumshooter Duje Vukadin hatte im Vorfeld dieses Derbys genau davor gewarnt. Doch das Heimteam konnte es nicht verhindern, dass Rudi seine Tentakel ausfährt und zahlreiche Bälle kratzt. Am Ende erreicht er eine Quote von knapp 40 Prozent. Stark.
Doch Rudi war nicht der Hauptdarsteller in diesem Derby. In Fahrt kamen auch drei ganz junge Wohler Akteure. Flügelspieler Samuel Scheiwiller erzielte fü n f Tref fer, Rückraumspieler Joshua Schmid gelangen acht Tore – beide sind erst 19 Jahre jung. Doch ein (bislang unbekannter) Wohlen-Spieler prägte dieses Derby besonders: Björn Staubli, Jahrgang 2006, aus Waltenschwil. «Was ist das für einer?», hört man auf der Tribüne immer wieder. Staubli erzielte bei seinem Liga- und Wohlen-Debüt satte zehn Tore, benötigte dafür nur 13 Versuche, ein kleiner Handball-Zauberlehrling. Der 17-Jährige spielte sonst bei der U19-Elite vom HSC Suhr Aarau, bevor er jetzt auch für Wohlen spielt. Gerade mal drei Trainings hat der Waltenschwiler mit dem Team absolviert, bevor er zehn Kisten im Derby wirft. «Hier wird mit viel mehr Leidenschaft gespielt», stellte der angehende Geomatiker fest. Dafür meinte er fast schüchtern, dass bei den besten Junioren technisch etwas die feinere Klinge geführt wird.
Der Rückraumspieler überzeugte mit viel Power und cleveren Entscheidungen. Besonders bei den Anspielen rauschte er los wie ein Expresszug – und liess die routinierten Mutscheller zum Teil richtig alt aussehen. Oft schloss er seine Aktionen mit einem Tor ab, erzwang einen Freiwurf oder trug dazu bei, dass Mutschellen gleich fünf Zeitstrafen kassierte. «Wir haben gut gedeckt und mit viel Tempo gespielt», fand er die Gründe für den Auswärtssieg. Das hohe Tempo war denn auch eine Anweisung von Trainer Ingmar Steiger.
Routiniers machen hinten dicht
Während die jungen Wohler im Angriff wirbelten, machten die routinierten Spieler hinten den Laden dicht. Flavio Galliker, Tobias Estermann oder Simon Eser packten hart, aber fair zu. Captain Manuel Frey kümmerte sich fast schon «liebevoll» um Mutschellens Ausnahmekönner Duje Vukadin. Dieser schien davon ziemlich genervt zu sein, kassierte zwei Zeitstrafen und lieferte sich mit Frey auch mal das eine oder andere verbale Duell. «Ich wusste, Vukadin ist stark und nimmt fast jeden Wurf. Ich wollte ihn einfach vom Goal weghalten», erklärt er.
«Hassliebe»
Dies gelang ihm ziemlich gut, nicht mit einer permanenten Manndeckung, sondern immer wieder punktuell mit einer offensiven Abwehr. «Das ist aber auch anstrengend», gibt er lachend zu. Einmal kassierte er von Vukadin einen heftigen Schlag ins Gesicht: «Zähne und Lippe habe ich danach ziemlich gespürt. Wir sind beide ehrgeizig und uns verbindet so etwas wie eine Hassliebe», meinte er zu diesem brisanten Duell, welches klar für Frey ausging. Vukadin erzielte nur vier Tore und kam kaum zur Entfaltung. «Wir wussten nicht genau, wo wir stehen», gibt Flügelflitzer Frey zu. «Aber wir haben eine starke Abwehrleistung gezeigt und uns verrissen in diesem Derby», freut sich der 38-Jährige.
Zerknirschte Mutscheller
Während sich die Wohler über den unerwarteten Derbysieg freuten, waren die Mutscheller bitter enttäuscht. «Wir waren einfach nicht bereit», ärgerte sich Captain Pascal Baur, der mit Rückenbeschwerden auf die Zähne biss. «Wir haben den Extraschritt nicht gemacht. Zudem schiessen wir Goalie Rudi ab», ergänzt der Kreisläufer, dem selber nur ein Treffer gelang. «Und auf die Deckung von Frey haben wir zu wenig schlau reagiert», sagt er und schreitet mit hängendem Kopf in die Kabine. Genau wie seine Kollegen. Die Warnung, dass man «Craken» Rudi nicht warmschiessen soll, haben die Mutscheller anscheinend nicht gehört.
Die Wohler revanchieren sich für die Hinspielpleite gegen Mutschellen (21:24). Im zweiten Derby ist Wohlen besser, dank den jungen Wilden in der Offensive, dank den routinierten Kräften in der Abwehr – und dank Goalie Rudi. Der zweite Saisonsieg sorgt bei Wohlen für Erleichterung. Und löst bei den Mutschellern viele Fragezeichen aus.
«Nicht die Hälfte umgesetzt»
Natürlich war Mutschellens Trainer Jan Sedlacek bedient. Der frühere Profihandballer hat auch als Trainer schon viel erlebt. Doch was er im Freiämter Derby sah, hat ihm richtig die Laune verdorben. «Wir haben nicht die Hälfte davon umgesetzt, was wir uns vorgenommen und besprochen hatten», meint er kopfschüttelnd. «Wir hätten zusammen agieren sollen, doch es gab sehr viele Einzelaktionen. Wohlen hingegen war kompakt und hatte viel mehr Spielfluss», vergleicht er die beiden Teams.
Natürlich konnte auch er nicht ahnen, dass die Wohler den 17-jährigen Björn Staubli aus dem Hut zaubern und dieser im ersten Spiel mit zehn Treffern gleich voll einschlägt. «Ihn hatten wir während 50 Minuten nicht im Griff», meint er schonungslos. Sonst war er aber von der Leistung der Wohler nicht überrascht. «Da spielt die Tabelle keine Rolle. Das ist ein Derby», meint Sedlacek und sieht auch im unglücklichen Start einen Grund: «Wir haben den Anfang verpasst und dann wird es schwierig.»
Ingmar Steiger hat die Wohler Handballer erst auf diese Saison hin übernommen. Genau wie sein Gegenüber. Mit nur einem Sieg lief es bislang eher harzig. «Wir waren zu lieb», bringt es der Deutsche auf den Punkt. Doch diesmal war er auch in diesem Punkt mit seinen Jungs zufrieden: «Wir haben nur 23 Tore zugelassen. Das ist klasse», freut er sich über den zweiten Saisonsieg. In der Abwehr sind seine Spieler ruhig geblieben und haben sich ohne Ball gut bewegt. Wenn mal etwas danebengeht, ist das Steiger egal. «Wir können nicht hadern, wenn ein Fehler passiert. Das muss man gleich vergessen. Es geht nicht mehr weg. Und dann weiter machen», fordert er. Das haben seine Spieler im Derby bestens umgesetzt, ganz besonders in der Abwehr. Das war auch der Schlüssel zum Derbysieg. --awa